Cuore azzurro (Azurblaues Herz)

Cuore azzurro (Azurblaues Herz)

(Azurblaues Herz, rotschwarzes Blut) ...Cuore azzurro... ist der erste Teil meiner vierteiligen Biographie.

Im ersten Band erzähle ich über meine Liebe zum

AC Milan, zur Squadra Azzurra und zu Eros Ramazzotti. Allerdings auch über die Geschichte der großen italienischen Fußballvereine. Und wie sich der Fußball in den letzten 30 Jahren entwickelt hat, was er für mein Leben bedeutet hat. Für mich waren diese drei emotionalen Säulen immer ein Halt in den schwierigen Phasen meines Lebens. Unter anderem erzähle ich auch über die Höhen und Tiefen wie Schicksalsschläge in meinem Leben. Der Fußball und Eros Ramazzotti haben mich zu dem Menschen gemacht, der ich heute bin. Süchtig nach Emotionen,

und ständig auf der Suche nach emotionalen Höhepunkten.

Auf meiner Homepage www.michelangelo-difranco.com, findet man noch nähere Informationen zu meiner Person, und auch einige Leseproben über meine Werke.
Ich wurde wegen meiner Träume oft belächelt! Heute kann ich gut damit leben. Denn zum einen habe ich es geschafft, meine Träume zu realisieren, zum anderen ist mein Erinnerungspalast reich an emotionalen Erlebnissen
.Und ich habe erst jetzt damit angefangen, meine Träume auszuleben


Auszug aus... Italienischer Herbst

 

Italienischer Herbst

 

Schuld an diesem wunderbaren Wahnsinn war von Anfang an mein Vater. Ich habe keine Ahnung, wann er damit angefangen hat, mich mit Fangesängen in den Schlaf zu singen. Was immer er damit auch bezwecken wollte, sollte er damit tatsächlich eine Absicht verfolgt haben, er hat sein Ziel definitiv nicht verfehlt. Denn ich war, und das kann ich mit absoluter Gewissheit behaupten, einer der größten Fußball­fans meiner Zeit. Milan ist mein Blut, und die Squadra Azzurra meine Religion. Mit dieser Behauptung untertreibe ich noch die Darstellung meiner Liebe zum Calcio. Sicherlich hatte mein Vater die Absicht, mir den Fußball nahe zu bringen. Aber dass sich dieses Vorhaben im Laufe der Jahre so dermaßen entwickeln würde, das hatte selbst er nicht zu glauben gewagt. Mein Vater, geboren in Süditalien, in Bari, der Hauptstadt Apuliens. Aufgewachsen als Sohn eines Land­arbeiters neben zwei weiteren, älteren Brüdern und einer Schwester (die er mir gegenüber niemals erwähnt hat. Wurde sie doch in den frühen Jahren ihrer Jugend, aus mir heute unbekannten Gründen totgeschwiegen), entdeckte er sehr früh seine Leidenschaft zum Fußball.

 

In den 30er, Anfang der 40er Jahre konnte man von gepflegten Rasenplätzen, wie man sie heute in fast ganz Europa vorfindet, nur träumen. Auf steinigem, sandigem Boden wurde gekickt. Die Tore waren meistens nur mit Kleidungsstücken oder Schuhen gekennzeichnet. Die Tor­pfosten und das dazugehörige Netz konnte man sich in seiner Fantasie bildhaft dazu ausmalen. Und die meisten Kinder hatten gerade einmal zwei Paar Schuhe. Eines für die Schule, zum Spielen und zum Arbeiten, und das andere für Sonntagvormittag, wenn’s in die Kirche ging, oder sonstige festliche Anlässe. Denn die Kinder konnten damals nicht in ein beliebiges Schuh- oder Sportgeschäft spazieren und den perfekt angepassten Fußballschuh aus hochwertigem Leder, wie sie heute gang und gäbe sind, einfach mal so aus Papas Brieftasche bezahlen. Was ich aus den Geschichten meines Vaters erfahren habe, was mir von seinen Freunden immer wieder bestätigt wurde, muss er ein ganz guter Stürmer gewesen sein. Er war anscheinend doch wirklich so gut, dass der Fußballtrainer und Stadtpfarrer aus Barletta, der nächst­größeren Stadt etwa 30 km nördlich vom Heimatdorf meiner Großeltern entfernt, eines Tages nach Ruvo di Puglia kam, um meinen Vater zu einem Probetraining für seine Mannschaft einzuladen. Leider gab mein Großvater nicht die nötige Zustimmung. Zu damaligen Zeiten war es ja auch leider nicht selbstverständlich, dass ein Kind in irgendwelchen Vereinen seinen Hobbys nachgehen konnte. Das Geld war knapp und außerdem herrschte Krieg. Ja, mein Vater war auch eines von vielen Kindern, die aus finanziellen Gründen nur die ersten drei Jahre die Schule besuchen konnten und dann entweder in den familieneigenen oder auf fremden Plantagen arbeiten mussten. Das Geld war knapp, und jeder in der Familie musste sich einbringen, um seinen Teil zum Lebensunterhalt beizutragen. Tja, was wäre geschehen, wenn mein Papa doch für Barletta oder später für Bari gespielt hätte. Er war damals gerade mal um die zwölf Jahre jung, als ihm das Angebot vorlag. Vielleicht hätte er später den großen Sprung geschafft und wäre Profi geworden. Doch in Erzählungen kann man immer sehr viel rein interpretieren. Ob es dann wirklich für ganz nach oben gereicht hätte, ist äußerst fraglich. Denn Talente gab und gibt es in diesem Alter genug. Aber dann wäre er sicherlich nicht nach Deutschland ausgewandert, meine Mutter hätte er nie kennengelernt, und ich würde nicht hier sitzen und diese Geschichte erzählen.

 

 In den Sechzigern erlebte Deutschland einen gi­gantischen Aufschwung. Der Krieg war mittlerweile seit fünfzehn Jahren Vergangenheit. Junge Menschen, haupt­sächlich aus Spanien, Italien und dem damaligen Jugoslawien suchten ihr Glück, neue Perspektiven im Herzen Europas. Darunter war eben auch mein Vater. Er kam als Emigrant nach Augsburg, wo er mit ein paar Freunden aus der Heimat eine Stelle bei der MAN antrat. Ursprünglich wollte er nicht länger als ein Jahr in Deutschland bleiben. Er hatte in Ruvo eine Stelle als Vorarbeiter auf dem Land in Aussicht und zudem eine Freundin, mit der er bereits Zukunftspläne geschmiedet hatte. Um das notwendige Geld für ein gemein­sames Heim und die Hochzeit zusammen zu bekommen, kam natürlich die Stellenausschreibung der MAN nicht unpas­send. In den Sechzigern erlebten die Menschen aber nicht nur in der Musik und der Wirtschaft eine Revolution. Es war auch die Zeit, in der der Fußball ein neues Gesicht bekommen sollte.

                   

Es war die Geburtsstunde der Europapokale. Um etwas genauer zu werden, wurde 1955 der Europa-Pokal der Landesmeister, 1971 der UEFA-Cup, und 1960 der Europa-Pokal der Pokalsieger ins Leben gerufen. Im Landesmeister­wettbewerb nahmen nur die aktuellen Meister der ver­gangenen Saison teil. Im UEFA-Cup, die direkt im Anschluss platzierten Teams (Vizemeister) und im Pokalsieger­wettbewerb letztendlich der Sieger aus dem national ausge­spielten Pokalwettbewerb. Natürlich nahm der Fußball in Europa durch diesen Turniermodus einen noch viel größeren Stellenwert an. Denn endlich konnten sich die besten Mann­schaften Europas international richtig beweisen, messen, und vor allem auch besser in Szene setzen. Mannschaften wie Real und Barca, Valencia und Atletico, Inter und Milan, die Fiorentina und die Roma, Sporting und Benfica, Celtic, Manu, Tottenham und West Ham, schrieben zum ersten Mal Europacupgeschichte. Wenn ich mich so an die Geschichten meiner Eltern erinnere, bin ich eigentlich schon sehr glücklich darüber, in der heutigen Zeit leben zu dürfen. Denn mein Vater konnte sich nicht jedes beliebige Spiel im Pay-TV ansehen. Nein, im Gegenteil, er hatte gerade mal ein kleines Radio zur Verfügung. Pay-TV…? Es war ja noch nicht einmal das Farbfernsehen wirklich geboren. Ein kleines Radio, den wolkenfreien Sternenhimmel über sich, und meine Mutter an seiner Seite. So erlebte er die Nacht als Inter Mailand zum ersten Mal den Weltpokal gewann. Natürlich war diese romantische Idylle nur ein Vorwand meines Vaters, um einen optimalen Radioempfang zu bekommen. Meine Mutter muss ganz schön erschrocken sein, als mein Vater, der neben ihr auf der Parkbank saß und sie im Arm hielt, plötzlich wie von der Tarantel gestochen aufsprang und einen lauten Jubelschrei von sich gab. Inter Mailand spielte damals gegen Inde­pendiente Buenos Aires. Nachdem die Italiener das Hin­spiel in Argentinien mit 1-0 verloren hatten, gewannen sie das Rückspiel in Mailand mit 2-0. Allerdings zählte damals nur Sieg oder Niederlage, die Tordifferenz spielte keine Rolle. So musste ein Entscheidungsspiel auf neutralem Boden im Estadio Bernabeu zu Madrid den Sieger finden. So war es dann der 26. September 1964, als eine italienische Mannschaft zum ersten Mal den Weltpokal, die wertvollste Trophäe auf Vereinsebene in den Himmel stemmen sollte.

 

Ja, natürlich gab es auch schon damals äußerst fana­tische Fußballfans. So hatte es sich mein Vater gut fünf Monate zuvor auch nicht nehmen lassen, das Endspiel um den Landesmeistertitel in Wien, zwischen Inter und Real, 
im Wiener Prater Stadion live mitzuerleben. Mittlerweile ist er jetzt schon über achtzig. Natürlich ist er, auch aus gesund­heitlichen Gründen, ruhiger geworden, aber sein Enthu­­siasmus und seine Liebe zum Fußball sind immer noch stark, wie eh und je. Mit den Jahren wird man ja angeblich auch zwangsläufig ruhiger und sieht gewisse Dinge von einem anderen Standpunkt. Dennoch, die Liebe zu sei­nem Verein und zur Nationalmannschaft ist immer noch die­selbe. In all den Jahren, auch wenn der AS Bari nie einen großen Titel gewinnen konnte. Er war immer ein treuer Anhänger seiner Mannschaft. Dennoch schwärmt er auch heute noch von den großen Zeiten der Interisti und der Fiorentina. Jedes Mal, wenn das Derby Milano ansteht, schei­den sich bei uns ein wenig die Geister. Aber das ist nicht wirklich schlimm. Wichtig ist, dass man zu seiner Mannschaft und Einstellung steht. Das ist eben wie in der Ehe, in guten und in schlechten Zeiten. Gut, wenn’s in der Ehe nicht mehr läuft, kann man sich scheiden lassen. Natürlich sollte man, wenn es einem möglich ist, nicht den schlechtesten Zeitpunkt wählen... Man kann auch genauso das Team wechseln. Nur wenn wirklich wahre Liebe im Spiel ist, hält eine solche Ver­bindung ein Leben lang. Hätte ich in den Sechzigern gelebt, tja wer weiß, wahrscheinlich wäre ich wohl neben dem AS Bari auch Inter- oder Fiorentina-Fan geworden. Ohne Zweifel, Inter hatte damals mit Mazzola, Facchetti, Burgnich, Jair, Corso, Juarez, und wie sie alle hießen, eine sehr große Mann­schaft. Aber auch die Siebziger, und vor allem die Achtziger und Neunziger, die Jahre in denen ich meine Jugend erlebte, brachten ihre Stars mit sich. Daher bin ich wirklich sehr froh und erleichtert, auf diese Art und Weise zu meiner Mannschaft gefunden zu haben, wie es sich eben an diesem kühlen Novemberdonnerstag 1988 zugetragen
hat.


Auszug aus... Grande Juve

           

Italien ist das Land des Fußballs schlechthin. Schon immer zählte die Serie A zu den besten Fußballligen der Welt. In keinem anderen Land der Welt findet man solch große Unterschiede, was die Geschichte der einzelnen Calcio-Metropolen anbelangt. Die unbändige Leidenschaft und Treue der Neapolitaner zu ihrem SSC und die Römer mit ihrem AS und der Lazio Roma, die ihr Stadion zum absoluten Hexenkessel der Emotionen auflodern lassen. Das San Siro in Mailand, die bekannteste Fußballoper der Welt, deren Mann­schaften, AC und Inter Mailand, ihre Tifosi seit Jahren mit den größten Stars der Fußballwelt und ständigen Erfolgen ver­wöhnt. Dennoch, das Herzstück Italiens ist Turin. Mit Juventus und dem AC Torino beherbergt diese Stadt zwei Teams, die nicht unterschiedlicher sein können. Juve, der ganze Stolz Italiens. Keine andere Mannschaft hat mehr Meistertitel gewonnen als die schwarz-weißen Zebras. Dennoch kann man sich außerhalb der norditalienischen Industriemetropole mehr über eigene Fans freuen als zuhause selbst. Weltweit genießt man eine Anhängerschaft von über 11 Millionen Fans. Ganz gleich, ob über dem großen Teich oder am südlichsten Ende von Afrika. In wohl jedem italienischen Restaurant wird man einen Juve-Anhänger antreffen. Aber in Turin selbst gehört die Leidenschaft der Fans zum größten Teil dem Toro. Toro wie Stier! Toro wie Leidenschaft, Mythos, Legende, Liebe und Trauer. Das Symbol von Juventus lebt seit Jahren von Titeln. Toro hin­gegen von einem einzigen Tag. An jenem 4. Mai 1949 kurz nach 17.00 Uhr, ereignete sich am Hügel von Superga, mit der Explosion eines Flugzeuges, die größte Tragödie im italieni­schen Fußball. Bis dato ein beliebtes Ausflugsziel der Turiner Einwohner. Im Sommer lud diese herrliche Idylle zu Familienausflügen ein. Eine Basilika, erbaut im Jahre 1731 von Amedeos von Savoyen, schmückte den Hügel mit all ihrer Pracht. Eine Seilbahn erleichterte den Aufstieg für Pilger und Besucher um einiges. Doch an diesem Tag wurde die Schön­heit des Berges von dichtem grauen Nebel verhüllt. Eine Wand, die zum Schicksal einer großen Mannschaft werden und eine ganze Nation in tiefe Trauer stürzen sollte. Der Pilot Pier Luigi Meroni erkannte durch die dichte weißgraue Suppe wohl nicht mal mehr die eigene Hand vor Augen.

 

Gian Paolo Ormezzano, damals nicht älter als 14 Jahre, war zu Besuch bei seinem reichen Onkel, der nur wenige Kilometer entfernt eine elegant erbaute Villa besaß. Ein unendlicher Schmerz überkam den jungen Mann. Tiefste Trauer, die wahrscheinlich nur nachzuvollziehen ist, wenn man selbst eine solch schmerzhafte Tragödie leibhaftig miterleben muss. Sein Verein, seine Helden, sein AC Turin hatte bis auf den letzten Mann auf diesem Hügel von   Superga den Tod gefunden. Die Gefühle überkamen ihn, so zerschlug er mit seiner geballten Faust, deren Schlag wohl den ganzen Schmerz und die Wut über diesen Verlust innehatte, eine wertvolle Scheibe im Haus seines Onkels. Vielleicht war dieser Tag wegweisend für seine Zukunft. Denn nur vier Jahre später gab er sein Debüt als Sport­journalist und wurde einer der größten seiner Art. Am folgenden Tag waren die Straßen nach Superga überfüllt. Schaulustige versuchten den Ort des Schreckens heim­zusuchen. Der AC Turin war damals das Symbol des italienischen Fußballs. Zeitweise stellte das Team bis zu zehn Nationalspieler und war so der ganze Stolz Italiens. Il Grande Toro, das Sinnbild einer Nation für den Wiederaufbau nach dem Faschismus und dem Krieg. Der AC Turin befand sich gerade auf dem Heimflug aus Portugal, wo man ein Freundschaftsspiel gegen Benfica Lissabon mit 3-4 verloren hatte. Niederlagen für dieses große Team waren damals absolute Seltenheit.

         

Der AC Turin hatte damals vier Meisterschaften in Folge gewonnen. Der erste Streich gelang 1942/43. Dann wurde der Spielbetrieb aufgrund der anrückenden Alliierten aus dem Süden und Hitlers Truppen, die den Norden besetzt hatten, für zwei Jahre unterbrochen. Doch nach der Befreiung, im Frühjahr 45 wurde wieder Fußball gespielt. Der AC Turin untermauerte abermals seine Vormachtstellung. Wiederum wurde das Team von Egri Erbstein trainiert, der seiner jüdischen Abstammung wegen das Team auf Grund des Hitlers-Regimes hatte verlassen müssen. Zur Seite stand ihm der Engländer Leslie Lievesley. Zusammen schufen sie ein AC Turin, das weltweit nahezu unschlagbar war. Erbsteins vertrat die Einstellung, dass ein Fußballspieler, je nach Phase der Partie, einfach alles beherrschen musste, sich jeder Taktik anpassen müsse. Kurz gesagt, der komplette Fußballspieler schlechthin. Zudem setzte Erbstein auf eine Spielweise, die Arsenal-Coach Herbert Chapman entwickelt hatte. Das System der aggressiven Verteidigung. Lievesley, der dem Mister zur Seite stand, praktizierte zudem den Italienern etwas völlig Unbekanntes und Neues. “Konditionstraining“, das der Mannschaft letztendlich mehr als die halbe Miete einbringen sollte. Im Norden von Italien wurde eine erdrückende Übermacht des Fußballs erschaffen. In der Saison 47/48 demontierten sie ihre Gegner nahezu. 125 erzielte Tore, bei 33 Gegentreffern. 29 Siege und nur 4 Niederlagen. Davon aber keine einzige zuhause in Turin. Zum Saisonabschluss gab es ein 10-0 gegen Alessandria. Angeführt wurden diese Helden von Valentino Mazzola, dem Vater des späteren Interstars Alessandro. Valentino war der Superstar der Vierziger. Der Motor der Turiner Mannschaft. Der Volkstribun einer Legion, die ausziehen sollte, die Fußballwelt zu erobern. Einer der größten Zehner überhaupt. Giampiero Boniperti erinnerte sich, als junger Akteur Gegenspieler von Mazzola bei einem der berühmten Stadt-derbys gewesen zu sein.

       

»Ich hatte die Arme schon zum Jubeln erhoben, als wie aus dem Nichts, auf der Torlinie Mazzola auftauchte und meinen Schuss abfing. Ich hatte sehr genau gezielt und war von einem Tor fest ausgegangen. Ich nahm meinen Kopf zwischen beide Hände, total enttäuscht und verzweifelt trabte ich mit dem Blick nach unten aus dem Strafraum. Als ich wieder nach oben sah, war Mazzola gerade an unserem Tor angelangt und versenkte den Ball im Netz«

     

Kein Einziger sollte den Aufprall auf die Mauer der Basilika überleben. Mazzola wurde gerade mal 30 Jahre alt. 18 Spieler, beide Trainer, zwei Clubmanager, der Masseur, und drei Sportjournalisten Tosatti, Cavallero, und Casalbore, der Pilot Gigi Meroni, und vier Besatzungsmitglieder fanden viel zu früh den Tod. Ein Bauer, der ganz in der Nähe auf den Feldern arbeitete, erkannte einen der Spieler an dessen Trikot. Ballarin war so stolz darauf, der Turiner Mannschaft anzugehören, dass er selbst privat das Vereinstrikot trug. Die Identifizierung der Spieler musste Nationaltrainer Vittorio Pozzo übernehmen. Am 6. Mai wurde in Turin unter Begleitung hunderttausender Menschen eine der größten Mannschaften aller Zeiten beigesetzt. Der Trauerzug führte durch die Innenstadt bis hin zum Schlossplatz. Begleitet von Carabinieri in Paradeuniform, gefolgt von trauernden Angehörigen, die Blumensträuße in den Händen hielten. Ein Held nach dem anderen wurde durch die Straßen getragen. Den Abschluss machte eine Abordnung des ältesten italienischen Fußballclubs aus Genua, mit sämtlichen neun Meisterwimpeln. Für jedes Opfer bekreuzigten sich die Menschen. Also 31 Mal insgesamt. Es war eine halbe Stunde, die durch ihre Tragik wie eine Ewigkeit vorkommen musste. In der Aufbahrungshalle hatte Verbandspräsident Barassi zu den Särgen gesprochen, als hätten ihn die Spieler noch hören können. Offiziell hatte er ihnen den fünften Meistertitel in Folge überreicht und sie einen nach dem anderen beim Namen aufgerufen. Zum Schluss war dann Mazzola dran. Der Kapitän, dem man traditionell als erster bei einer Sieger­ehrung den Pokal überreicht hätte. Barassi zeichnete dabei mit seinen Händen einen riesigen Pokal in die Luft und sagte…

 

»Siehst du diesen schönen Pokal?

Er gehört dir, er gehört euch allen.

Er ist groß, größer als dieser Saal,

er ist riesengroß und drinnen sind alle unsere Herzen«



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